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Prignitz – ein kurzer geschichtlicher Abriß

Informationen Zum Reprint der Bekmannschen Chronik von 1753

 

Die Prignitz – ein kurzer geschichtlicher Abriß

von Torsten Foelsch, 2004
 

Die Prignitz gehört zu den ältesten deutschen Siedlungsgebieten östlich der Elbe, von hier aus nahmen Christianisierung und Kolonisierung der Gebiete zwischen Elbe und Oder im 10. und 12. Jahrhundert ihren Anfang. Die Prignitz ist der nordwestlichste Zipfel der Mark Brandenburg und liegt etwa auf halbem Wege zwischen Berlin und Hamburg. Ihr oft beklagter Charakter als Sandstreubüchse des Heiligen Römischen Reiches trifft nicht zu, denn die historisch gewachsene Kulturlandschaft der Mark bietet viele Naturschönheiten und erscheint dem genauen Betrachter wie ein großer Landschaftspark, in dem sich Wasser-, Wiesen- und Waldflächen, Täler, Flußniederungen und Hügelketten abwechseln und sich dadurch überall interessante Fernblicke und Landschaftsbilder ergeben, in die ein in Jahrhunderten gewachsenes, unverwechselbares baukünstlerisches Erbe eingebettet ist, das seine Wurzeln in der deutschen Ostkolonisation des Hochmittelalters hat.

Die naturräumliche Gliederung der Prignitz ist das Ergebnis mehrmaliger Inlandeisvergletscherungen des quartärzeitlichen Eiszeitalters, und schon vor der deutschen Besiedlung des 12. Jahrhunderts bot sie besonders steinzeitlichen und schließlich germanischen Völkern des nordischen Kulturkreises und später erst (etwa seit Mitte des 6. Jahrhunderts) dann auch slawischen Stämmen günstige Siedlungsvoraussetzungen. Die ältesten archäologischen Funde in der Prignitz (bei Hinzdorf) gehören der älteren Steinzeit an (9.000-8.000 v. Chr.). Aus der jüngeren Steinzeit ist an Gräbern in der Westprignitz allein das sogenannte „Hünengrab“ bei Mellen, eine Abart der nordischen Ganggräber, erhalten. Vom Ende der Bronzezeit rührt die gewaltige Anlage des Seddiner Königsgrabes her (1. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr.). In der ausgehenden Bronzezeit scheinen auch erste befestigte Siedlungen entstanden zu sein, wofür in der Westprignitz ein Burgwall bei Wolfshagen aus dieser Zeit ein Beispiel abgibt. Vom 2. – 6. Jahrhundert hielt eine allmähliche, nahezu vollständige Abwanderung der germanischen Bevölkerung aus den bisherigen Siedlungsgebieten nach Westen und Südwesten an, der seit etwa Mitte des 6. Jahrhunderts die Einwanderung slawischer Stammesgruppen aus dem Osten in das Gebiet der heutigen Prignitz folgte. Von ihnen werden die Linonen 808 erstmals erwähnt, deren Hauptort Lenzen war, wo eine große Burg an dem wichtigen Flußübergang zwischen Elde- und Löcknitzmündung lag, die in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken, Slawen und Sachsen im 8. und 9. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte und schließlich im 10. Jahrhundert Sitz eines Stammesfürsten war.

Die berühmte Schlacht bei Lenzen im Jahre 929 markiert den Beginn der ersten Phase der deutschen Ostexpansion und der Christianisierung östlich der Elbe. Damals besiegten die sächsischen Truppen slawische Heerscharen in einer blutigen Schlacht und nahmen den Burgplatz in Besitz, bis sie die eroberten Gebiete nach dem großen Slawenaufstand im Jahre 983 wieder aufgeben mußten. Damals wurden auch die Dome der 946/948 von Otto I. begründeten Bistümer Havelberg und Brandenburg wieder zerstört.

Der Wendenkreuzzug von 1147 brachte nach vielen früheren Fehlschlägen die endgültige Christianisierung und Kolonisierung der Mark Brandenburg. Während Markgraf Albrecht der Bär die Hauptgebiete der späteren Mittelmark eroberte, wurde die Prignitz vom Bischof von Havelberg und kleineren Territorialherren eingenommen und besiedelt. Unter diesen war ein Ritter Johannes, der nach seinem altmärkischen Besitz, der Gänseburg bei Pollitz, den Übernamen „Gans“ trug und auf seine Nachfahren weitervererbte. Diese nannten sich je nach ihren Besitzungen Gans von Wittenberge, Gans von Perleberg oder Gans von Putlitz und die Familie heißt heute noch: Gans Edle Herren zu Putlitz. Diese in der Frühzeit der Kolonisation durch Titel und Besitz herausragende Familie wurde im Verlaufe des 13. Jahrhunderts in ihrer Machtstellung mehr und mehr durch die erstarkende und sich festigende markgräfliche Zentralgewalt beschnitten. Als Gründer der Städte Wittenberge, Perleberg und Putlitz und schließlich des Zisterzienserinnen-Nonnenklosters Marienfließ (1231) hat sich dieses Geschlecht unauslöschliche Verdienste erworben. Das Kerngebiet ihrer Eroberungen, also ihrer Territorialherrschaft, und ihre Burgen lagen an der Stepenitz. Wenn auch einige Besitzungen im Verlauf der Zeit verloren gingen, bewahrten sie doch bis zur Vertreibung 1945 sieben Güter in dieser Region.

Das Besiedlungswerk in der Prignitz, das im wesentlichen um 1300 abgeschlossen war und sich unter dem Schutze einer zahlenmäßig starken Ritterschaft vollzog, glich einem gigantischen Bauprogramm. Nach den Rodungen großer dichter Waldgebiete und der Trockenlegung von Sümpfen entstanden unzählige neue deutsche Bauerndörfer, z. T. oft neben den alten wendischen Siedlungen, ferner zahlreiche Kirchen sowie feste Schutzburgen und Rittersitze, die die Sicherheit des Landes zu gewährleisten hatten. Die ansässige wendische Bevölkerung ging dabei allmählich in den eingewanderten neuen sächsischen, fränkischen und niederländischen Siedlerfamilien auf. Lieselott Enders geht auf Grund der namenkundlichen Forschungen von Sophie Wauer davon aus, daß von den 451 mittelalterlichen Ortsnamen 257 (57 %) slawisch, 169 (37,5 %) deutsch und 20 (4,4 %) slawisch-deutsche Mischnamen (wie etwa Blesendorf, Gnevsdorf, Klenzendorf) sind, wobei bei den slawischen Ortsnamen überwiegend angenommen wird, daß sie von den Neusiedlern vorgefunden und übernommen wurden und daß bei den deutschen Ortsnamen, überwiegend wohl auch bei den Mischnamen mit Neubildungen zu rechnen ist.

Typisch deutsche oder slawische Dorfformen gab es in der Prignitz nicht. Entscheidend bei der Wahl der Dorfform waren nicht ethnische Merkmale, entscheidend war hier wohl mehr, ob die Siedlung im Wald-, Niederungs- oder Grenzbereich lag und ob es sich um eine planmäßige Neugründung handelte. In der Prignitz kommen sehr unterschiedliche Dorfformen vor, wobei den größten Anteil Rund- und Straßendörfer ausmachen, gefolgt von Angerdörfern, Sackgassendörfern mit Doppelzeilen, Haufen- und Marschhufendörfern. Das Runddorf, dem oft ein wendischer Ursprung nachgesagt wird, kommt überwiegend in der Westprignitz vor und ist wohl in der Tat als deutsche Anlage der Kolonisationszeit anzusehen, denn bei Grabungen und Bodenuntersuchungen wurden slawische Reste in den bisher bearbeiteten Orten überhaupt nicht vorgefunden, und bei Anlage des Rundlings mußte ja die Anzahl der anzusetzenden Siedler von vornherein feststehen, da spätere Einschübe in den geschlossenen Ortsgrundriß ausgeschlossen waren. Dies setzt also eigentlich eine planmäßige Anlage voraus.

Die zahlreichen mittelalterlichen Kirchen und Stadtkerne, aber auch die erhaltenen Burgen und Schlösser sind noch heute sichtbares Zeichen dieser Entwicklung – auch in der Prignitz. Hier gehen nahezu alle Stadt- und Dorfkirchen auf die Kolonisationszeit des 12./13. Jahrhunderts zurück und im Gegensatz zu Mecklenburg, wo es größere Zentralkirchen innerhalb einer Parochie gab, wurden in der Mark in fast jedem einzelnen Dorf kleinere Kirchen erbaut. Daher gibt es im heutigen Landkreis Prignitz ca. 170 evangelische Dorfkirchen sowie 7 evangelische und 4 katholische Stadtpfarrkirchen, von denen die ehem. Wallfahrtskirche von Wilsnack und das 1287 gegründete Kloster Heiligengrabe als besondere sakrale Bau- und Geschichtsdenkmäler herausragen. Dazu kommen die über 60 noch erhaltenen Schlösser, Herrenhäuser und Burgen, deren Geschichte eng mit der der Prignitz verwoben ist und oftmals bis in die Anfangszeit der Christianisierung der Prignitz zurückreicht. Ein wertvolles baukünstlerisches und geschichtliches Erbe !

Die Landschaftsbezeichnung „Prignitz“ trat 1349 erstmals in einer Urkunde auf, daneben war aber auch die Bezeichnung „Nordmark“ für die Landschaft vom 14. bis ins 18. Jahrhundert hinein gebräuchlich. Die Prignitz gliederte sich im Mittelalter in 11 verschiedene Herrschaftsgebiete (terrae), die erst im Laufe des 13./14. Jahrhunderts in unmittelbaren markgräflichen Besitz übergingen, während das ursprünglich reichsunmittelbare Bistum Havelberg erst nach der Säkularisation im 16. Jahrhundert unter markgräfliche bzw. kurfürstliche Oberhoheit kam. Die 11 Bezirke waren: Grabow, Lenzen, Wittenberge, Perleberg, Putlitz, Pritzwalk, Kyritz, Wusterhausen, Wittstock, Nitzow und Havelberg. Die terra Grabow fiel nach 1320 an Mecklenburg, die terra Wusterhausen etwa zur gleichen Zeit an die Grafschaft Ruppin, die im 16. Jahrhundert schließlich wieder an den Kurfürsten kam. Die äußeren Grenzen der Prignitz veränderten sich seither bis 1952 kaum noch wesentlich. Als landesherrliche Organe wirkten bis zum Ende des 14. Jahrhunderts die Vögte, seit dem 15. Jahrhundert die Hauptmänner der Prignitz. Eine erste ständische Kreisverwaltung bildete sich jedoch erst im 17. Jahrhundert mit den Kreiskommissaren, Kreis- und Landesdirektoren und schließlich den Landräten heraus.

Das Phänomen der ländlichen Wüstungen kennt die Prignitz seit dem Hochmittelalter, als nach der ersten Periode ländlicher Kolonisation und Siedlung des 12. und 13. Jahrhunderts vor allem im Verlaufe des 14. und 15. Jahrhunderts infolge einer schwachen Agrarkonjunktur, unzureichender Ertragsfähigkeit einzelner Dörfer und z. T. auch der Fehdezeiten mehr als zwei Fünftel der im Hochmittelalter vorhandenen und neu angelegten Siedlungen wieder aufgegeben wurde. Zäsuren für das Siedlungsbild bedeuteten später dann die Gründungen adliger Eigenbetriebe im 16. Jahrhundert, die Folgen des 30jährigen Krieges mit Wüstungserscheinungen, die Siedlungsprogramme der friderizianischen Binnenkonolisation des 18. Jahrhunderts mit seinen zahlreichen Dorf- und Vorwerksneugründungen, die Stein-Hardenberg-Reformen mit der Veränderung dörflicher Siedlungsstrukturen infolge der Separationen und Dienstablösungen, schließlich die Siedlungstätigkeit auf dem Lande nach dem ersten Weltkrieg durch regionale Siedlungsgesellschaften, dann vor allem aber tief einschneidend und bis heute fortwirkend die fundamentalen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen nach 1945. Alle diese unterschiedlichen geschichtlichen Prozesse haben in den Jahrhunderten nach dem Wendenkreuzzug von 1147 das Siedlungsbild der Prignitz, das einem ständigen Wandel unterliegt, entscheidend geprägt – und permanent verändert.

Nach Abschluß der Separationen (um 1850) entstanden vor allem in den Dörfern und auf den Gütern umfangreiche und architektonisch beeindruckende Neubauten. Mit Zunahme der ortsansässigen Gutsarbeiter und den Umstrukturierungen der gutswirtschaftlichen Betriebe ging dementsprechend auch eine Veränderung der Siedlungstrukturen der Güter und Dörfer einher. An die Stelle der alten, meist noch strohgedeckten Bauernkaten aus Lehmfachwerk traten nun stattliche neue Wohnhäuser aus Fachwerk oder Backstein mit ebenso wertvollen Wirtschaftsgebäuden. Auf den Gütern entstanden vielfach neue, meist langgestreckte Tagelöhnerhäuser und auf den alten Gutshöfen z. T. großartige Wirtschaftsbauten, die den veränderten ökonomischen Verhältnissen entsprachen und auf die vergrößerten Gutswirtschaften zugeschnitten waren.

Die Prignitzer Städte, die ihren mittelalterlichen Charakter als Ackerbürgerstädte innerhalb der alten Befestigungsanlagen weitgehend bewahrt hatten, wuchsen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über ihre Stadtmauern hinaus. Es entstanden großzügig angelegte Stadterweiterungsgebiete mit einer architektonisch wie baukünstlerisch wertvollen Bebauung. Innerhalb der alten Stadtmauern errichteten die Bürger vor allem im wilhelminischen Zeitalter die typischen großen, gründerzeitlichen Wohn- und Geschäftshäuser, neue stolze Rathäuser (Pritzwalk, Kyritz 1879, Perleberg 1837/39, Wittenberge 1912/14) und ließen ihre Stadtkirchen prachtvoll, meist im neugotischen Stil, ausbauen (Perleberg 1851/55, Wittenberge 1869/72, Putlitz 1854, Kyritz 1848, Pritzwalk 1880/82). Wittenberge erlangte Mitte des 19. Jahrhunderts mit seiner Anbindung an die Eisenbahnlinien Berlin-Hamburg (1845/46) und nach Magdeburg durch den Bau der Elbbrücke (1846-1851) sowie der Strecke nach Lüneburg (1872/74) enorme Bedeutung als Eisenbahnknotenpunkt, Warenumschlagplatz, Binnenschiffahrtshafen und Industriestandort. Die 1823 begründete Hertzschen Ölwerke war bis 1990 einer der wichtigsten Industriebetriebe in der Region. Später kam das Reichsbahnausbesserungswerk und 1903 das Singer-Nähmaschinenwerk hinzu. Infolge dieser rasanten wirtschaftlichen Entwicklung wuchs die Stadt rasch über ihre alten Grenzen hinaus.

An der Peripherie der kleinen Landstädte entstanden mit den neuen Bahnhöfen nach dem Bau der Berlin-Hamburger Eisenbahn (1845 ff.) meist auch Gewerbeansiedlungen mit stadtbildprägenden Fabrikgebäuden. Das Tuchmachergewerbe, das in der Prignitz alte Tradition hatte, erlangte mit zunehmender Industrialisierung schließlich in den Städten Pritzwalk und Wittstock mit den dort begründeten Tuchfabriken der Gebrüder Draeger und Friedrich Wilhelm Wegener u. a. als Lieferanten für Heer und Marine eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für die ganze Prignitz. Seit 1900 waren beide Fabriken unter einer Leitung vereint und wurden bis 1945 von der Familie Quandt betrieben. Ihre mächtigen, die Stadtsilhouetten von Wittstock und Pritzwalk beherrschenden Fabrikgebäude entstanden in den ersten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts.

Der Bau der Eisenbahnlinie Wittenberge-Perleberg 1881 und dann von Perleberg über Pritzwalk nach Wittstock (1885) erschloß schließlich auch die Prignitzer Landstädte in West-Ost-Richtung. 1887 war der Bau der Linie Neustadt/Dosse-Pritzwalk-Meyenburg fertiggestellt. Später (1888-1912) folgte der Bau eines die gesamte Prignitz erschließenden Kleinbahnnetzes, wodurch eine Anbindung der Region an die Wirtschaftskreise und die Absatzmärkte des Reiches erreicht war. Die Prignitz erlebte in den wilhelminischen Jahrzehnten einen nie da gewesenen wirtschaftlichen Aufschwung und eine bemerkenswerte Bevölkerungszunahme. Es entstanden die großen Stadtschulen und die städtischen Krankenhäuser, und in den damals gegründeten Museen von Havelberg (1904), Perleberg (1905) und Heiligengrabe (1910) dokumentierte sich die Geschichtsmächtigkeit dieser kurmärkischen Landschaft. Die Hauptstadt der Westprignitz (Perleberg) errang als Garnisonsstandort in der Zeit um 1900 zusätzlich an Bedeutung.

Mit der Verwaltungsreform in Preußen und der Schaffung von Provinzialregierungen wurde die Prignitz 1817 in die Kreise Ost- und Westprignitz mit den Hauptstädten Kyritz und Perleberg geteilt. An der Spitze der Kreisverwaltung stand der Landrat. 1952 wurden mit der Auflösung der von den alliierten Kontrollmächten nach Ende des 2. Weltkrieges gebildeten mitteldeutschen Länder durch die damalige DDR-Regierung schließlich die historisch gewachsenen Kreise der Mark aufgelöst. Die Prignitz wurde auf die neugeschaffenen Bezirke Magdeburg, Potsdam und Schwerin aufgeteilt und insgesamt 7 neuen Landkreisen zugeordnet (Perleberg, Pritzwalk, Wittstock, Havelberg, Ludwigslust, Parchim und Kyritz). 1990 wurden die alten Länder wiederhergestellt, und im Zuge der brandenburgischen Kommunalwahl trat am 5. Dezember 1993 eine erneute Kreisgebietsreform, die die historischen Grenzen allerdings wieder ignorierte, in Kraft. Mit dieser Reform entstand der heutige Landkreis Prignitz, der Teile der Ostprignitz mit Pritzwalk, Meyenburg und Demerthin sowie nahezu den gesamten alten Kreis Westprignitz (ohne Havelberg) umfaßt. Kurioserweise wurde daneben aus Teilen der alten Ostprignitz mit Kyritz und Wittstock und dem alten Land Ruppin ein neuer Landkreis Ostprignitz-Ruppin gebildet. Der heutige Landkreis Prignitz, dessen Hauptstadt Perleberg ist, hat eine Fläche von 2.141,8 km² und ca. 110.000 Einwohner (1993). Seit der Gemeindereform von 1993 war der Landkreis bis 2002 in 9 Ämter mit 90 amtsangehörigen Gemeinden und 3 amtsfreie Städte (Perleberg, Pritzwalk und Wittenberge) gegliedert. Eine erneute Gemeindestrukturreform 2002/2003 führte zur völligen Neuordnung der Landkreise in Brandenburg. Der Landkreis Prignitz mit einer Fläche von 2.123,26 km² und 91.658 Einwohnern (2003) gliedert sich heute nach erheblichen Eingemeindungen in die Stadtgemeinden Wittenberge, Perleberg und Pritzwalk sowie die Ämter Lenzen-Elbtalaue, Bad Wilsnack/Weisen, Meyenburg, Karstädt, Putlitz-Berge und die Großgemeinden Plattenburg, Gumtow und Groß Pankow/Prignitz. Mit 44 Einwohnern/km² gehört er heute zu den bevölkerungsärmsten Landkreisen Deutschlands.

Trotz der administrativen Teilungen der Prignitz zwischen 1952 und 2002 hat sich bei vielen Einwohnern eine Prignitzer Identität erhalten. Die Prignitz als historischer Landschafts- und auch Sprachraum blieb von diesen Teilungen unberührt. Auch die landesgeschichtliche Forschung betrachtet die Prignitz stets in ihren historischen Landschaftsgrenzen, und die Tourismusvereine werben gemeinsam für die Prignitz als Reiseregion.



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Zum Reprint der Bekmannschen Chronik von 1753

Johann Christoph Bekmann wurde am 2. September 1641 in Zerbst als Sohn des dortigen Superintendenten Christian Beckmann geboren und wirkte bis zu seinem Tode am 6. März 1717 als weithin angesehener Gelehrter an der Universität Frankfurt (Oder). An der dortigen Viadrina hatte er auch studiert und sich 1661 den Magistergrad erworben. Es schloß sich eine ausgedehnte Bildungsreise an, die ihn 1662 bis 1664 nach Groningen, Franeker, Amsterdam und Leiden führte. Von 1664 bis 1666 studierte er in Oxford. 1667 übernahm er in Frankfurt (Oder) zunächst die unbesoldete Professur für Geschichte und wurde fast gleichzeitig zum Professor der griechischen Sprache berufen. 1672 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert, übte seit 1673 das Amt des Bibliothekars aus, legte 1678 den akademischen Kräutergarten an, lehrte ab 1681 auch Politik (Staatsrecht) und übernahm 1690 schließlich die Professur für (reformierte) Theologie. Im Laufe seiner ungewöhnlich langen Wirksamkeit wurde er achtmal zum Rektor der Universität gewählt. Kurz vor seinem Tode konnte er sein 50jähriges Professorenjubiläum feiern. Er publizierte in allen von ihm vertretenen Fachgebieten eine erhebliche Anzahl von Schriften und war mit seiner vielseitigen Tätigkeit ein typischer Vertreter der zuende gehenden Epoche der Polyhistorie. Besondere Verdienste erwarb er sich schon 1676 durch einen nach englischem Vorbild (1706 in zweiter Auflage gedruckten) alphabetischen Katalog der Universitätsbibliothek, die dadurch zu den modernsten in ganz Deutschland gehörte.

Die längste Nachwirkung haben jedoch ohne Zweifel seine historischen Schriften gehabt. 1676 gab er die „Kurtze Beschreibung der alten löblichen Stat Franckfurt an der Oder“ des Wolfgang Jobst neu heraus, die in ihrer dritten Auflage (1706) auch eine Abhandlung über das einstige Bistum Lebus enthielt. 1693 wurden die „Anmerckungen von dem ritterlichen Johanniter Orden“ gedruckt, die ebenfalls drei Auflagen erlebten. Zum zweihundertjährigen Jubiläum der Universität im Jahre 1706 erschien seine „Notitia universitatis Francofurtanae una cum iconibus personarum aliquot illustrium“. 1710 folgte schließlich die groß angelegte „Historie des Fürstenthums Anhalt“ (mit Ergänzungen 1716), die seinen Ruf als Historiker begründete. Schon 1707 erteilte ihm der preußische König Friedrich I. den Auftrag, eine Geschichte der Mark Brandenburg zu verfassen. Die genauen Umstände der Entstehung dieser Chronik sind bisher noch nicht hinreichend untersucht worden. Offenbar war man sich jedoch darüber im Klaren, daß die Bewältigung eines solchen Vorhabens auch einen erheblichen finanziellen Aufwand verursachen würde. Vermutlich auf Druck des Königs bewilligten die kurmärkischen Stände nämlich schon 1707/08 die gewaltige Summe von 1.000 Reichstalern, die dem Professor Beckmann in Frankfurt (Oder) für die Anfertigung einer märkischen Chronik gezahlt werden sollten.  Zu diesem Zweck wurden Fragebögen an Pfarrämter und Magistrate verschickt, Literatur ausgewertet und Archive durchforscht.  Die Drucklegung der riesigen Materialsammlung erlebte Bekmann jedoch nicht mehr. Die Manuskripte mußten sofort nach seinem Tode an das Königliche Archiv in Berlin abgeliefert werden.

Erst sein Großneffe Bernhard Ludwig Bekmann (1694 - 1760), Lehrer am Joachimsthalschen Gymnasium, setzte 1740 auf Wunsch Friedrichs des Großen die Arbeiten fort. Ein gedrucktes Edikt vom 19. November 1740 forderte abermals die Magistrate und Geistlichen auf, zweckdienliche Nachrichten zu liefern. Eine erneute Fragebogenaktion im Jahre 1741 versetzte den jüngeren Bekmann in die Lage, das begonnene Werk für die Jahre nach 1713 zu aktualisieren.
1751 und 1753 erschienen daraufhin zwei Bände der „Historischen Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg“. Der erste Band ist in vier Teile gegliedert, von denen Teil I eine Bevölkerungsgeschichte der Mark Brandenburg (einschließlich der Juden sowie ein Kapitel über die märkischen Geschichtsschreiber) enthält, Teil II „Von den Alterthümern der Mark“ handelt von der Ur- und Frühgeschichte, Teil III umfaßt die „Naturgeschichte der Mark Brandenburg“, und Teil IV „Von den Flüssen und Seen der Mark Brandenburg“ widmet sich den naturräumlichen Gegebenheiten. Während also der erste Band eine allgemeine Landeskunde enthält, folgte im zweiten Band eine detaillierte Beschreibung der links und rechts der Elbe gelegenen Altmark und Prignitz. Der Nachdruck beschränkt sich daher auf den zweiten Band, dessen ortsgeschichtliches Material für die heutige Forschung von größerer Bedeutung sein dürfte. Aus nicht genau bekannten Gründen, wahrscheinlich auf Bitten des Stiftes selbst, fehlt in dieser Darstellung lediglich die Beschreibung des Klosters Heiligengrabe.  Auffallend ist ferner der Umstand, daß das Werk offensichtlich auf verschiedenen Papierqualitäten gedruckt worden ist. Diese Beobachtung legte sich bei dem Vergleich einiger Originalausgaben nahe, ohne daß die näheren Umstände und auch Preise der damaligen Drucklegung bekannt wären. Dem Nachdruck wird deshalb das Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zugrundegelegt, das auf sehr gutem Papier gedruckt wurde.

Daß das Werk eine längere Entstehungsgeschichte durchlaufen hat, ist auch an der sehr unregelmäßigen und für die Mitte des 18. Jahrhunderts sicher veralteten Orthographie erkennbar. Die hohen Druckkosten und die enorm aufwendige Redaktionsarbeit sind vermutlich die beiden entscheidenden Gründe gewesen, weshalb nur zwei Bände des sehr viel umfangreicher angelegten Werkes erscheinen konnten. Bernhard Ludwig Bekmann starb jedenfalls erst am 3. Dezember 1760 in Berlin. Der reichhaltige Nachlaß beider Bekmanns gelangte diesmal in Privatbesitz, wurde im 19. Jahrhundert von Adolph Friedrich Riedel erworben und teilweise verschenkt. Seit 1873 verwahrt im wesentlichen das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem das wertvolle Material (I. HA, Rep. 92 Nachlaß Bekmann).  Teile aus diesem Nachlaß sind immer wieder von der Forschung herangezogen worden. So veröffentlichte der Küstriner Gymnasialdirektor Carl Fredrich im Jahre 1914 an entlegener Stelle die fast druckfertigen Ausführungen Bekmanns über die Stadt Küstrin. Durch eine genaue Inhaltsangabe ist auch derjenige Teil des Nachlasses erschlossen worden, der die brandenburgische Kirchengeschichte zum Gegenstand hat.

Bekmanns Chronik ist heute nicht nur ein ehrwürdiges Monument der landesgeschichtlichen Forschung, sondern ist längst selbst zu einer wichtigen historischen Quelle geworden. Dies gilt weniger für die oft im vollen Wortlaut abgedruckten Urkunden, da diese auch Eingang in später gedruckte Urkundenbücher gefunden haben. Zwei Beispiele aus der neueren Forschungsgeschichte mögen aber diese Behauptung verdeutlichen. Die Chronik enthält zunächst ein gewaltiges personengeschichtliches Material. Systematisch ausgewertet wurden bisher die sonst nur schwer aufzufindenden Daten für die in der Altmark tätig gewesenen Geistlichen.  Darüber hinaus sind jedoch bei Bekmann vor allem Angehörige der zahlreichen Ratsfamilien benannt, die die Geschichte der Städte nachhaltig beeinflußt haben. Ferner überliefert Bekmann eine Zustandsbeschreibung der Städte und der in ihr befindlichen Kunstdenkmäler, die es sonst in dieser Ausführlichkeit für das frühe 18. Jahrhundert nicht gibt. So erweist sich zum Beispiel die bei Bekmann gedruckte Beschreibung der mittelalterlichen Glasmalerei in der Wilsnacker Wunderblutkirche als heute älteste Quelle, die für die Datierung dieser überaus wertvollen Kunstwerke wichtige Anhaltspunkte bietet.  Wegen ihrer Materialfülle, der getrennten Paginierung und der wahrhaft barocken Untergliederungen ist die „Historische Beschreibung“ freilich nicht ganz einfach zu benutzen.

Der Georg Olms Verlag hat sich nun bereitgefunden, diese Chronik durch einen Nachdruck wieder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, da das Werk im Antiquariatshandel nicht erhältlich ist. Bekmanns Chronik gehört heute zu den besonders schutzwürdigen Beständen weniger großer Bibliotheken. Die zahllosen Details zur Stadtgeschichte der Altmark und Prignitz machen das Werk auch für den Historiker zu einem unentbehrlichen Nachschlagewerk. Als erste flächendeckende landesgeschichtliche Bestandsaufnahme ist die Arbeit der beiden Bekmanns von bleibendem Wert. Der Band umfaßt insgesamt 714 Seiten in getrennter Zählung sowie fünf Kuperstiche und eine Karte und wird bis 30. September 2004 zum Subskriptionspreis von 98,- EUR angeboten (Ladenpreis: 128,- EUR). Private Interessenten als auch Forschungseinrichtungen haben durch das Reprint die einmalige Chance, dieses Standardwerk brandenburgischer Geschichtsschreibung zu einem sehr moderaten Preis selbst zu erwerben. Vorbestellungen werden an folgende Adresse erbeten: Georg Olms Verlag AG, Hagentorwall 7, 31134 Hildesheim,
Tel. 0 51 21 / 15 01 - 0, Fax 0 51 21 / 15 01 - 50,
e-mail: info@olms.de, Internet: www.olms.de Uwe Czubatynski



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